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- Stefan Walter

Was unterscheidet Gleit- und Kletterschalung, wann ist die Gleitschalung die bessere Wahl und was gilt es dabei zu beachten?

WOLFF & MÜLLER Ingenieurbau GmbH hat in den vergangenen Jahren mehrere Projekte im Gleitschalverfahren ausgeführt, unter anderem Bauwerke für einen Automobilhersteller bei Stuttgart und für ein Chemie-Werk in Frankfurt-Höchst. Auf diese Weise konnten die Ingenieurbau-Spezialisten die Gleitschalung sehr gut mit der traditionellen Kletterschalung vergleichen. Um die Erkenntnisse daraus mit potenziellen Bauherren und anderen Baufachleuten zu teilen, hat das Team die Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengefasst:

Wie funktionieren Kletter- und Gleitschalung?

Bei der Kletterschalung wird eine großflächige Wandschalung in regelmäßigen Takten nach Abbinden des Betons nach oben gezogen – das Versetzen übernimmt entweder ein Baukran oder ein Kletterautomat. Das Bauwerk „klettert“ also schrittweise, in mehreren Abschnitten, in die Höhe. Im Gegensatz dazu laufen Gleitschalungen kontinuierlich, d.h. im 24-Stunden-Schichtbetrieb, ab. Die Schalung bewegt sich fort, indem sich die Arbeitsbühne, die sogenannte Gleitbühne, an Hubstangen nach oben drückt. Der bereits erstellte Abschnitt übernimmt dabei alle Lasten. Beton und Bewehrung werden kontinuierlich, entsprechend dem Höhenfortschritt, eingebaut.

Wann ist Gleitschalung die bessere Wahl?

Gleitschalung ist ideal zur schnellen und wirtschaftlichen Herstellung hoher Betonbauwerke, wenn der Querschnitt über die Höhe weitgehend konstant bleibt. In der Baupraxis sind das meist Türme, Schornsteine, ein- bzw. mehrzellige Siloanlagen oder Aussteifungskerne für Hochhäuser, auch und gerade in Verbindung mit Treppenhäusern und Aufzugsschächten.

Welche Nachteile hat Kletterschalung?

Nur wenn der Beton ausreichend fest ist, kann die Kletterschalung am zuletzt hergestellten Abschnitt verankert werden, da sonst gerade in größeren Höhen die Kräfte aus Windangriff nicht aufgenommen werden können. Das verlängert besonders in der kalten Jahreszeit die theoretisch mögliche Taktdauer und damit die Bauzeit. Typisch für die Kletterschalung ist bei optimalen Randbedingungen eine Taktlänge von 3 Tagen bei einer Ausführungshöhe von ca. 4,5 m/Takt. Hinzu kommt ein optischer Nachteil: Die äußere Erscheinung ist geprägt durch die horizontalen Arbeitsfugen zwischen den einzelnen Kletterabschnitten. Je nach Abschnitt stammt der Beton aus verschiedenen Chargen. Das führt zu einem sogenannten „Ringelsockeneffekt“. Oft muss das Bauwerk deshalb nachträglich verkleidet oder beschichtet werden, auch wenn teure Sichtbetonschalungen zum Einsatz kamen und handwerklich einwandfrei gearbeitet wurde.

Welche Vorteile hat Gleitschalung?

Der messbarste Vorteil der Gleitschalung liegt in der Geschwindigkeit. Das Rechenbeispiel eines 48 m hohen einzelligen Treppenturmes zeigt: Mit einer Gleitschalung kann der Turm fast dreimal schneller als mit einer Kletterschalung realisiert werden: in 13,5 statt 37 Arbeitstagen. Der spätere Einbau der Treppenläufe ist dabei nicht berücksichtigt. Je höher das Bauwerk, desto größer ist der Geschwindigkeits-Vorzug, weil dann die Dauer der Vor- bzw. Demontage weniger ins Gewicht fallen. Hinzu kommt als weiterer Vorteil das gleichmäßigere Erscheinungsbild: Es gibt keine Arbeitsfugen. Zwar wird hier der Beton auch bei Gleitschalung in mehreren Lagen eingebaut. Doch wegen der geringen Höhe der einzelnen Lagen fällt die unterschiedliche Farbtönung der Betonchargen weniger auf als bei der Kletterschalung. Die üblichen Einteilungen in Sichtbetonklassen (z. B. SB 2) finden bei der Gleitbauweise keine Anwendung. Eine noch homogenere Struktur der Betonoberfläche lässt sich erreichen, indem man das Bauwerk im Zuge der Herstellung von der Nachlaufbühne aus abscheibt.

Welche Rahmenbedingungen sind zu beachten?

Ist ein Bauwerk in Gleitbauweise geplant, muss das Bauteam die folgenden Rahmenbedingungen klären:

  • Ist die Planung auf dem finalen Stand? Spätere Umplanungen sind zu vermeiden, weil sich das Gleitschalverfahren auf die Baukonstruktion und insbesondere der Bewehrungsführung auswirkt.
  • Ist damit zu rechnen, dass Gewerbeaufsichtsamt und Ordnungsamt dem 24-Stunden-Betrieb zustimmen?
  • Gibt es sensible Nachbarbebauung, etwa Krankenhäuser oder Pflegeheime, die unter einem 24-Stunden-Betrieb leiden würden?
  • Lassen die örtlichen Umstände die 24-Stunden-Versorgung der Baustelle zu oder sind Verzögerungen z. B. bei der Einfahrt ins Werksgelände, zu erwarten?
  • Kann das vorgesehene Bauunternehmen die erforderliche Logistik sicherstellen?

Welche Kompetenzen erfordert die Gleitschalung?

Es gibt erfahrene Gleitschalungsfachbetriebe, die auf dieses Verfahren spezialisiert sind und die Bedienung der Gleiteinrichtung sowie die Betonage übernehmen, aber nicht alle zur Bauwerkserstellung erforderlichen Leistungen anbieten. Deshalb brauchen nicht nur der Fachbetrieb, sondern auch das allgemein zuständige Bauunternehmen und die Bauleitung spezielles Know-how und sollten mit dem Verfahren vertraut sein. WOLFF & MÜLLER übernimmt bei Projekten mit Gleitschalverfahren die folgenden Aufgaben:

  • Bereitstellung von genügend Aufsichts- und Ausführungspersonal
  • Abstimmungen mit Vor- bzw.- Nachfolgegewerken sowie parallellaufenden Arbeiten
  • Erwirken der für den 24-Stunden-Betrieb erforderlichen Genehmigungen beim Amt für öffentliche Ordnung und Gewerbeaufsichtsamt
  • Beratung des Fachplaners bei Schalungs- und Bewehrungsplanung (frühzeitige Einbindung erforderlich) im Hinblick auf gleitschalungsspezifische Belange
  • Bereitstellung der allgemeinen Baustelleneinrichtung und Hebezeuge
  • Mitlaufende Erstellung und Aufrechterhaltung der erforderlichen Zuwegungen unter Einbeziehung der Arbeitssicherheitsanforderungen
  • Klärung und Sicherstellung der unterbrechungsfreien Stromversorgung
  • Auswahl und Qualitätsprüfung der Betone, Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Beton und Stahl in den jeweiligen Kleinmengen
  • Ausführung von Ausbauleistungen (z. B. Einbau von Treppen und Podesten)
  • Sicherstellen der Qualitätsstandards
  • Sicherstellen des Notfallmanagements einschließlich projektspezifischer Erstellung von Gefahrenbeurteilung und Rettungskonzept

Fazit

Das Gleitschalverfahren ist besonders geeignet, um hohe Betonbauwerke fugenlos, mit extrem kurzen Bauzeiten und hohen Tagesleistungen zu errichten. Das Verfahren erfordert jedoch spezielles Know-how. Deshalb sollten Bauherren darauf achten, dass sich das Bauunternehmen mit den Rahmenbedingungen der Gleitschalung auskennt und Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Gleitschalungsfachbetrieben hat.

Stefan Walter

Autor: Stefan Walter

Stefan Walter ist Teamleiter Kalkulation im Technischen Innendienst bei der WOLFF & MÜLLER Ingenieurbau GmbH.

 

Sie planen ein hohes Betonbauwerk und haben Rückfragen zum passenden Schalungsverfahren? Kontaktieren Sie uns gerne unter: magazin@wolff-mueller.de 

#gleitschalung #kletterschalung #beton #ingenieurbau #hochbau 

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