Drei Fragen an Dr. Stephan Klamert

Dr.-Ing. Stephan Klamert ist technischer Geschäftsführer der WOLFF & MÜLLER Hoch- und Industriebau GmbH & Co.KG sowie Lehrbeauftragter am Institut für Baubetriebslehre an der Universität Stuttgart. WOLFF & MÜLLER ist seit einigen Jahren mit einer eigenen Einheit im Bereich des seriellen Bauens aktiv. Zudem beteiligt sich die Unternehmensgruppe an AH Aktiv-Haus und MOD21, zwei im Holz-Modulbau tätigen Firmen.

Herr Dr. Klamert, wie können aus der Krise der Bauindustrie Chancen für Unternehmen entstehen?

Dr. Klamert: Chancen gibt es jederzeit, nicht nur in Krisenzeiten. In Krisen denken Unternehmen aber konsequenter um. Sie setzen Veränderungsprozesse in Gang und erschließen neue Geschäftsfelder. Neue Entwicklungen werden ermöglicht, bisherige Entwicklungen beschleunigt. Und genau hier stehen wir meines Erachtens mit der Bauindustrie heute. Die Herausforderungen unserer Zeit sind immens, und die Bauindustrie kann bzw. muss ihren Beitrag hierzu leisten. Chancen bietet hier z.B. die Energiewende mit nachhaltigem Bauen und einem lebenszyklusorientierten Bau- und Immobilienverständnis. Hier stehen wir erst am Anfang von dem, was möglich und erforderlich ist. Eine weitere Chance sehe ich darin, unsere Planungs- und Bauprozesse effizienter zu machen. Noch sind sie häufig durch ein hohes Maß an Individualität und Verschwendung geprägt. Angesichts des Fachkräftemangels und des erheblichen Baubedarfs, wie z.B. derzeit im Wohnungsbau, sollten wir umdenken: Wir brauchen mehr Vorfertigung und müssen die Bauaufgabe in einer Vor-Bauphase intensiver vorbereiten.

Welche Rolle spielt industrialisiertes Bauen bei der Bewältigung der Wohnungsknappheit und dem Ressourcenmangel?

Dr. Klamert: Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in kurzer Zeit ist erheblich. Gleichzeitig gibt es immer weniger Fachkräfte, um diesen Wohnraum als Immobilieninvestition nachhaltig über den gesamten Lebenszyklus zu gestalten. Da kommen wir mit unserer bisherigen Herangehensweise an unsere Grenzen. Ein wesentlicher Lösungsansatz ist das industrialisierte bzw. serielle Bauen. Die technologischen und prozessualen Voraussetzungen und Grundkenntnisse sind vorhanden: die digitale Planung, Methoden des Lean-Managements und das Wissen um eine veränderte Herangehensweise über Planung, Vorproduktion und Baustellenmontage. Einerseits müssen wir nun verstärkt von der Theorie zur Praxis kommen. Andererseits braucht es bei allen Beteiligten erst noch die Entwicklung eines neuen „industrialisierten Bauverständnisses“: Die neue Herangehensweise führt weg vom hochgradig individualisierten Unikatdenken, hin zu einem stärkeren Produktdenken. Statt die Planung noch bis kurz vor Fertigstellung zu ändern, müssen wir Projekte frühzeitig vorbereiten: Wir sollten möglichst viele Komponenten vorproduzieren und diese dann innerhalb stabiler Projektteams mit einer hohen Prozessstabilität auf der Baustelle zusammenfügen.